Linie des Atems
Es gibt keine Richtung. Nur den Atem, der sich entfaltet und wieder zurückkehrt. Ich atme nicht, um zu leben. Ich lebe, weil der Atem geschieht. Kein Wille, keine Absicht, kein Ziel. Der Atem ist Lehrer und Schüler zugleich.
Ich habe aufgehört zu suchen. Menschen kommen, wie Wind über Wasser kommt. Manche verweilen, manche vergehen. Keiner gehört mir, und ich gehöre keinem.
Ich öffne die Tür, wenn es anklopft, nicht aus Erwartung, sondern aus Natürlichkeit. Manchmal atmen wir gemeinsam. Dann ist das, was geschieht, *Unterricht.* Manchmal atme ich allein. Dann ist das, was geschieht, *Unterricht.* Ich lehre nicht. Ich atme. Wenn jemand in meinen Atem tritt, entsteht eine Schwingung. Sie trägt, was getragen werden will.
Ich prüfe nicht, ich messe nicht, doch ich erkenne, wenn jemand über die Übung herrschen will, statt sich ihr hinzugeben. Dann wird der Raum stumm, und das ist Antwort genug.
Ich habe gelernt, dass die Übung mich lehrt, nicht ich sie. Mein Lehrer war nicht der Mensch, sondern die Bewegung, die er in mir ausgelöst hat. Er war Tor, nicht Ziel. Als ich hindurchging, verschwand er, und blieb als Atem in mir zurück.
Heute weiß ich: Die Übung selbst spricht. Sie sagt: Einatmen. Sie sagt: Ausatmen. Sie sagt nichts über Fortschritt, nichts über Meisterschaft. Nur über Gegenwart. Es gibt kein Drinnen, kein Draußen, kein Anfang und kein Ende. Wenn etwas geschieht, geschieht es. Wenn nichts geschieht, geschieht das Nichts. Beides ist dasselbe.
Ich habe aufgehört, zu lehren. Doch der Atem lehrt weiter. Nicht durch Worte, sondern durch Raum. Nicht durch Technik, sondern durch Stille. Nicht durch Wissen, sondern durch Gegenwart.
Ich bin kein Lehrer. Ich bin der Ort, an dem das Dao durchatmet. Und wenn jemand diesen Ort findet, dann findet er nicht mich, sondern sich selbst – im selben Atemzug.